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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Zu kurze Fristsetzung lässt objektiv nicht auf Befangenheit schließen 
Stellungnahme zur Zurückweisung
20.01.2017 (GE 24/2016, S. 1542) Die richterliche Unabhängigkeit lässt einen weiten Spielraum in der materiellen Beurteilung und der Verfahrensgestaltung zu. Dass der Richter voreingenommen ist, wird zwar manchmal unterstellt; Ablehnungsgesuche wegen Befangenheit sind noch selten erfolgreich und werden mit knapper Begründung zurückgewiesen. Ein ausführlich begründeter Beschluss der 65. Kammer verdient deshalb Beachtung.
Der Fall: Der Mieter war vom Amtsgericht zur Räumung verurteilt worden; die 67. Kammer des Landgerichts Berlin wies ihn darauf hin, dass beabsichtigt sei, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Als Frist zur Stellungnahme wurden taggenau zwei Wochen festgesetzt. Der Beklagte meinte, die Richter der Kammer wollten hier kurzen Prozess machen; in Räumungssachen sei Termin anzuberaumen. Nachdem die Frist zur Stellungnahme verlängert worden war, wurde eine weitere Verlängerung abgelehnt; die Arbeitsüberlastung der Rechtsanwältin des Beklagten, Erkrankung und Familienurlaub wurden nicht berücksichtigt. Der Beklagte lehnte alle Richter der Mietberufungskammer (betroffen war im konkreten Fall die ZK 67) wegen Befangenheit ab.

Der Beschluss: Die nach Geschäftsverteilungsplan für die Befangenheits-Entscheidung zuständige ZK 65 begründete ausführlich, dass die Voraussetzungen für eine Ablehnung (noch) nicht erfüllt seien – viel hat aber offenbar nicht gefehlt. 
Das Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO sei auch in Räumungsstreitigkeiten über Wohnraum zulässig; der Rechtsschutz des Beklagten werde durch das Beschlussverfahren objektiv nicht verkürzt. Zwar sei die zur Stellungnahme gesetzte Frist von zwei Wochen, beginnend am Tag des Hinweisbeschlusses, zu kurz gewesen. Dieser Verfahrensfehler sei jedoch auf Antrag des Beklagten durch die Fristverlängerung korrigiert worden. Die ausführliche Darlegung der Rechtsauffassung des Beklagten gehöre nicht in das Ablehnungsverfahren; für die angenommene Parteilichkeit der Richter seien auch keine weiteren Umstände vorgetragen worden.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 1575 und in unserer Datenbank


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