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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Miethöhe irrelevant: 783,49 € Rückstand rechtfertigen keine ordentliche Kündigung
Zahlungsverzug von mehr als 2 ½ Monatsmieten allein reicht nicht aus
13.01.2017 (GE 24/2016, S. 1537) Liegt ein verschuldeter Zahlungsrückstand i. S. d. § 543 Abs. 2 Ziff. 3 BGB vor, kann der Vermieter wahlweise nach dieser Bestimmung außerordentlich fristlos oder nach § 573 Abs. 2 Ziff. 1 BGB ordentlich kündigen. Wird die fristlose Kündigung wegen Schonfristzahlung unwirksam, reicht der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen bestehende Zahlungsrückstand allein jedoch nicht für die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung aus, meint das LG Berlin (ZK 67). 
Der Fall: Weil der Beklagte die Mieten für Mai und August 2014 in Höhe von jeweils 290,10 € sowie Restmieten für 2011 und 2013 in Höhe von 142,75 € bzw. 60,54 €, mithin insgesamt 783,49 €, nicht gezahlt hatte, kündigten die Kläger das Mietverhältnis am 31. März 2015 fristlos bzw. ordentlich und verlangten Herausgabe der vom Beklagten innegehaltenen Wohnung. 

Die Entscheidung: Das AG Wedding wies die Klage ab, weil das Festhalten der Kläger an der ordentlichen Kündigung im Hinblick auf die Schonfristzahlung gegen Treu und Glauben verstoßen habe. 
Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Zwar läge ein treuwidriges Verhalten der Kläger nicht vor; die ordentliche Kündigung sei jedoch unwirksam, weil ein ausreichender Kündigungsgrund fehle. Die Höhe der vom Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigungen geschuldeten Mietrückstände rechtfertige allein – entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen gegenteiligen Ansicht – nicht zwingend die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Entscheidend seien die Gesamtumstände des Einzelfalles, wobei die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Vertragsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragsverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens berücksichtigt werden müssten und zugunsten des Mieters dessen persönliche Umstände zusätzliche Berücksichtigung finden könnten. 
Ausgehend hiervon sei schon der Zahlungsrückstand von 783,49 € absolut zu gering, um der Pflichtverletzung das für eine Kündigung erforderliche wirtschaftliche Gewicht des bereits 13 Jahre andauernden Vertragsverhältnisses zu verleihen. Hierbei komme es nicht darauf an, dass der geschuldete Betrag die Monatsmiete um ein Mehrfaches übersteige; das Überschreiten der summenmäßigen Monatsgrenze des § 569 Abs. 3 Ziff. 1 BGB allein sei für die Erheblichkeit der Pflichtverletzung des Mieters im Rahmen des § 573 Abs. 2 Ziff. 1 BGB nämlich ohne Aussagekraft. Weil der Beklagte seit 2011 an einer chronischen psychischen Erkrankung leide, sei zu seinen Gunsten auch der geringe Grad seines Verschuldens am Zahlungsrückstand zu berücksichtigen. Eine verschuldete, jedoch krankheitsbedingte Pflichtverletzung wiege insbesondere bei einem langjährigen Mietverhältnis und einem wirtschaftlich nicht erheblich ins Gewicht fallenden Mietrückstand nicht so schwer, als dass ohne das Hinzutreten weiterer – hier nicht vorhandener – Umstände eine schwerwiegende Pflichtverletzung angenommen werden könne.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 1574 und in unserer Datenbank


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