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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Zuwarten ist unschädlich: Fristlose Kündigung nicht unmittelbar nach Kenntniserlangung notwendig
Kein Nachteil für gutmütige Vermieter
30.09.2016 (GE 18/2016, S. 1117) Dauerschuldverhältnisse – Mietverhältnisse zählen dazu – können nach dem allgemein geltenden § 314 Abs. 3 BGB vom Berechtigten nur innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, gekündigt werden. Diese allgemeine Vorschrift findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-) Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB jedoch keine Anwendung, so der BGH.
Der Fall: Der Mieter kam mit den Mieten für Februar und April 2013 in Zahlungsverzug. Der Vermieter (eine Kirchengemeinde) mahnte Zahlung der Beträge im August 2013 an. Der Mieter teilte mit, er habe diese Mieten leider nicht überwiesen, entschuldigte sich – die Rückstände beglich er dennoch nicht. Daraufhin kündigte der Vermieter mit Schreiben vom 15. November 2013 fristlos. Das AG gab der Räumungs- und Herausgabeklage statt, das LG wies sie mit Verweis auf §  314 Abs. 3 BGB (Kündigung nur in angemessener Frist nach Kenntniserlangung) ab. In der Revision hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Mieters gegen das amtsgerichtliche Urteil zurück.

Das Urteil: Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei unwirksam, weil sie erst sieben Monate nach der ersten Kündigungsmöglichkeit und damit nicht in einer angemessenen Frist erklärt worden sei, sei rechtsirrig. § 314 Abs. 3 BGB sei auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB nicht anwendbar. Die Sichtweise des Berufungsgerichts liefe darauf hinaus, dass ein für den Mieter gerade günstiges Zuwarten unterbliebe und der Vermieter zur Vermeidung eigener Nachteile gehalten wäre, frühestmöglich eine fristlose Kündigung auszusprechen.
Die Revision gebe Anlass, die Frage zu klären, ob § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB überhaupt Anwendung finde, oder ob es sich bei diesen Bestimmungen um abschließende Sonderregelungen handele. Schon der Wortlaut spreche gegen eine zeitliche Schranke für den Ausspruch der fristlosen Kündigung. § 543 BGB, der – sei es als Generalklausel (Abs. 1), sei es als Regeltatbestände (Abs. 2) – die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses regele, bestimme in seinen weiteren Absätzen im Einzelnen die Kündigungsmodalitäten. Eine zeitliche Beschränkung für den Ausspruch der Kündigung schreibe die Bestimmung nicht vor. Ebenso wenig erhalte sie einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB. Auch § 569 BGB sehe weder eine Zeitspanne, innerhalb derer die fristlose Kündigung auszusprechen sei, noch einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB vor. Das werde durch die in den Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsreformgesetz 2001 zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Gesetzgebers bestätigt.
Es sei allerdings anerkannt, dass eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung Rechtsfolgen nach sich ziehen könne. Wenn beispielsweise Kündigungsgründe vorlägen, die für einen Vertragspartner die Vertragsfortsetzung unzumutbar machten, dann aber die Kündigung trotzdem länger hinausgezögert wurde, könne sich schon die Frage stellen, ob ein durchgreifender Kündigungsgrund vorliegt. Ebenso stehe außer Frage, dass eine fristlose Kündigung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände treuwidrig, insbesondere verwirkt sein könne.
Vor diesem Hintergrund habe der Gesetzgeber bei der Mietrechtsreform bewusst davon abgesehen, festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer „angemessenen Zeit“ ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen habe (BT-Drs. 14/4553, S. 44). Hieran habe die Einführung des § 314 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2001 nichts geändert (BT-Drs. 14/6040, S. 177: „Diese Einzelbestimmungen sollen nicht aufgehoben oder geändert werden, sondern als leges speciales Vorrang vor § 314 RE haben.“).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stelle sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die „Verzögerung“ der Kündigung erfülle die Voraussetzungen der Verwirkung schon deshalb nicht, weil es – offensichtlich – an einem Umstandsmoment fehle. Tragfähige Anhaltspunkte für ein Vertrauen des Mieters, der Vermieter werde von seinem Recht zur fristlosen Kündigung keinen Gebrauch machen, seien vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich. Sie lägen insbesondere nicht schon darin, dass der Vermieter eine Kirchengemeinde sei und der Mieter früher bei ihr als Küster beschäftigt war.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 1148 und in unserer Datenbank


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