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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Rohrwärme: Abrechnung bei Einrohrheizungen
Vermieter muss nicht nach VDI 2077 vorgehen
12.09.2016 (GE 17/2016, S. 1059) Das Amtsgericht Bayreuth (GE 2015, 132; zustimmend Pfeiffer GE 2015, 98) hatte entschieden, dass bei ungedämmten Heizungsrohren (auch in der Wand oder im Fußboden) der Vermieter die Heizkosten nach VDI-Richtlinie 2077 abrechnen müsse, wenn der Verbrauchswert nur 25,9 % der Gesamtwärme erfasst. Ähnlich auch das LG Siegen (WuM 2015, 433) bei einer Erfassungsrate von lediglich 18 %. Das Amtsgericht Lichtenberg, bestätigt durch die 63. Kammer des LG Berlin, ist anderer Auffassung.
Der Fall: Die Mieter im DDR-Plattenbau mit einer Einrohrheizung hatten die Heizkostennachzahlung unter Vorbehalt gezahlt und klagten auf Erstattung. Sie beriefen sich darauf, dass die Vermieterin unzutreffenderweise nicht nach der VDI 2077 abgerechnet habe, obwohl der Verbrauchswärmeanteil 0,21 betrug und die Standardabweichung 0,88. Dazu komme, dass auch bei ausgeschaltetem Heizkörper dieser erwärmt und ein Verbrauch gemessen werde. Die Vermieterin verwies auf den geringen Anteil der Niedrigverbraucher.

Die Urteile: Das Amtsgericht Lichtenberg, bestätigt durch (knappes) Berufungsurteil des LG Berlin, meinte, die Anwendung der VDI 2077 liege im Ermessen des Vermieters. Wenn nicht alle drei Voraussetzungen der VDI erfüllt seien (hier: geringe Anzahl der Niedrigverbraucher), könne eine normale Abrechnung unter Berücksichtigung der Ablesewerte erstellt werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sich die Heizkörper bei geschlossenem Ventil erwärmten; dieser Effekt sei typisch für Einrohrheizungen. Eine Verpflichtung des Vermieters zur Modernisierung bestehe nicht.

Anmerkung: Die Entscheidungen sind wichtig für die Abrechnung der Heizkosten in Plattenbauten mit einem Einrohrheizungssystem. In diesen kommt es immer wieder zu zwei Diskussionsfeldern mit den Mietern: den Rohrwärmeverlusten und der Mikrozirkulation.

Rohrwärme: Die Rohrwärmeverluste werden durch die Heizkostenverteiler nicht erfasst. Um dieses Problem zu lösen, gibt es seit einigen Jahren § 7 Abs. 1 Satz 3 der HeizkostenVO und die VDl 2077. Während die HeizkostenVO nur von einem großen Anteil an nicht erfasster Rohrwärme spricht,
sieht die VDl 2077 drei Anwendungsvoraussetzungen vor, von denen der Anteil an nicht erfasster Rohrwärme nur einer ist. Ein alter Streit geht hier um die Frage, ob alle drei Voraussetzungen der VDl 2077 vorliegen müssen, um sie anzuwenden, oder ob wegen der Formulierung in § 7 Abs. 1 Satz 3 der HeizkostenVO allein ein hoher Anteil nicht erfasster Rohrwärme ausreicht. Das LG Dresden (Urteil vom 15. August 2013 - 4 S 610/12) sieht das z. B. so. Hierzu stellt sich die Kammer auf den Standpunkt, dass alle drei in der VDl 2077 genannten Voraussetzungen vorliegen müssen. Ist dies nicht der Fall, muss die VDl 2077 nicht angewendet werden, auch wenn ein hoher Anteil an nicht erfasster Rohrwärme vorliegt.
Ein dritter Punkt, der in diesem Zusammenhang eine Rolle spielte, den das Landgericht jedoch nicht einmal erwähnt hat, ist die Länge der Heizungsrohre. Diese sind in den obersten Wohnungen der Plattenbauten nur halb so lang wie in den Wohnungen darunter. Die Kläger argumentierten daher, sie würden viel weniger als alle anderen von der Rohrwärme profitieren. Auch deshalb sei die Abrechnung ungerecht und falsch. Diese Überlegung haben weder das Amtsgericht noch das Landgericht erwogen.

Mikrozirkulation: Die Mikrozirkulation spült warmes Wasser auch bei abgedrehtem Heizkörper durch den Rücklauf in den Heizkörper. Es kommt daher zu einem nicht gewollten Verbrauch, was von vielen Mietern moniert wird („Mein Heizkörper ist warm, obwohl ich ihn zugedreht habe.“). Das LG Berlin hat bereits 2011 durch eine Entscheidung (Beschluss vom 1. November 2011, 63 S 341/11 = GE 2011, 1621) klargestellt, dass es sich dabei um keinen Mangel handelt. Jetzt hat es zusätzlich klargestellt, dass auch die Heizkostenabrechnung dadurch nicht fehlerhaft ist.


Anmerkung der Redaktion: Die Vorschrift, wonach die Heizkostenverteilung nach anerkannten Regeln der Technik zu erfolgen hat, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der dynamischen Verweisung auf Regelwerke nicht demokratisch legitimierter Normgeber (BGH, GE 2015, 781).

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 1095 und in unserer Datenbank
Autor: RA Stefan Pfeiffer