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Recht  →  Miet- & Zivilrecht


Mieterhöhung mit Berliner Mietspiegel: Zusatz „nicht qualifiziert“ ist unschädlich
Der kleine, aber feine Unterschied zwischen Begründung und Begründetheit
17.08.2016 (GE 15/2016, S. 945) Der Berliner Mietspiegel 2009 und dessen Nachfolger sind nach einer Entscheidung der 63. Kammer des Landgerichts Berlin (GE 2015, 1097) nicht qualifiziert; die Folgerungen für die Praxis sind auch in der Berliner Rechtsprechung umstritten (kritisch etwa Börstinghaus, NJW 2015, 3200). Anders als einige Amtsgerichte entschieden haben, ist ein Mieterhöhungsverlangen aber nicht deshalb unwirksam, weil der Vermieter zwar auf den Mietspiegel Bezug nimmt, aber gleichzeitig mitteilt, er halte ihn nicht für qualifiziert – so zu Recht die 65. Kammer des Landgerichts Berlin.
Der Fall: Die Vermieterin hatte „zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete“ auf den als Anlage beigefügten Auszug aus dem „derzeit gültigen Mietspiegel Berlin 2015“ verwiesen und sich auf diesen ausdrücklich zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens bezogen, zugleich aber mitgeteilt, dass der Mietspiegel nicht qualifiziert sei. Die verlangte Mieterhöhung ging nicht über die im Mietspiegel ausgewiesene ortsübliche Vergleichsmiete hinaus. Im Zustimmungsprozess berief sie sich auf Sachverständigengutachten. Das Amtsgericht hielt das Erhöhungsverlangen für formell unwirksam. Die Berufung der Vermieterin war erfolgreich.

Das Urteil: Das LG Berlin verwies auf die strenge Differenzierung zwischen den formellen Anforderungen an ein Erhöhungsverlangen und dessen Begründung sowie die Überprüfung der materiellen Berechtigung durch das Gericht. Die formellen Anforderungen seien hier noch erfüllt, denn schließlich habe der Vermieter ja auch bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels die Möglichkeit, ein anderes Begründungsmittel zu wählen. Offenbleiben könne, ob das auch gilt, wenn der Vermieter in dem Mieterhöhungsverlangen zusätzlich angegeben habe, der Mietspiegel sei auch nicht als einfacher Mietspiegel heranzuziehen. Dass die Klägerin sich hier auf ein Sachverständigengutachten berufen habe, sei zwar ein Widerspruch, betreffe aber nicht die formellen Anforderungen, sondern allein die Begründetheit, wofür die richterliche Überzeugung der letzte Maßstab sei. Dabei sei der Mietspiegel jedenfalls als einfacher Mietspiegel als Beweismittel verwertbar; Einwendungen dagegen habe die Vermieterin nicht rechtzeitig vorgetragen und seien auch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.

Anmerkung: Die sprachliche Ähnlichkeit zwischen Begründung (formell) und Begründetheit (materiell) eines Mieterhöhungsverlangens stiftet auch bei manchen Richtern Verwirrung.
Die 65. Kammer des Landgerichts Berlin stellt klar, dass hier eine strenge Differenzierung erforderlich ist. Auf welches Beweismittel sich der Vermieter im Zustimmungsprozess beruft, hat mit der formellen Wirksamkeit des vorangegangenen Mieterhöhungsverlangens nichts zu tun. Ein Erhöhungsverlangen ist nicht schon deshalb unwirksam, weil es den Berliner Mietspiegel als nicht qualifiziert bezeichnet. Nicht nur das AG Köpenick (mit ablehnender Anmerkung Beuermann GE 2016, 624) hatte dahingehend entschieden, sondern auch mehrere Abteilungen des AG Neukölln (Urteil vom 12. Januar 2016 -18 C 264/15; Urteil vom 22. März 2016 - 5 C 292/15; Urteil vom 24. März 2016 - 16 C 320/15; Urteil vom 16. April 2016 - 18 C 288/15). Das entsprach nicht dem Gesetz.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2016, Seite 975 und in unserer Datenbank
Autor: Rudolf Beuermann


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