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Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt und endet mit dem Tod
Keine Erbenhaftung für Verunreinigungen
05.07.2021 (GE 11/2021, S. 673) Wenn der Mieter stirbt, in der Wohnung verwest und dadurch die Ursache für Verunreinigungen setzt: Hat er dann den vertragsgemäßen Gebrauch überschritten? Hiermit u. a. befasst sich die Entscheidung des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, das im „schönsten“ Juristendeutsch formuliert: „Das Sterben in der gemieteten Wohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens stellt keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauches dar.“
Der Fall: Der Mieter starb nach dem 17. Oktober 2018 und wurde dort am 24. Oktober
2018 im Schlafzimmer aufgefunden. Wegen des in der Wohnung herrschenden schlechten Geruchs ließen die Kläger, die Erben des verstorbenen Mieters, eine Sonderreinigung zum Preis von 2.261 € durchführen; sie ließen außerdem das Laminat der Wohnung zum Preis von 1.150 € neu verlegen und eine Wohnungsgrundreinigung zum Preis von 113,05 € durchführen.
Nach Kündigung des Mietverhältnisses verlangen die Kläger von der beklagten Vermieterin Auszahlung der vom Erblasser geleisteten Barkaution in Höhe von 2.000 €; diese behauptet, trotz der Sonderreinigung sei die Wohnung, in der weiterhin Verwesungsgeruch geherrscht habe, von Fliegen und Maden befallen gewesen, wobei sich im Schlafzimmer zudem noch Exkremente befunden hätten. Deshalb sei anlässlich der Wohnungsübergabe vereinbart worden, dass die Kaution bei ihr verbleiben und damit weitere Malerarbeiten durchgeführt werden sollten.

Die Entscheidung: Das Amtsgericht gab der Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme statt. Zum einen habe diese die von der Beklagten aufgestellte Behauptung hinsichtlich der Kaution nicht bestätigt. Zum anderen stünden der Beklagten keine aufrechenbaren Ansprüche zu, wobei dahinstehen könne, ob in der Wohnung weiterhin ein schlechter Geruch geherrscht und Ungezieferbefall vorgelegen habe. „Denn das Sterben in der gemieteten Wohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens stellt keine Überschreitung des vertragsgemäßen Gebrauchs dar (AG Bad Schwartau, Urteil vom 5. Januar 2001 - 3 C 1214/99.“

Anmerkung: Das vom AG Tempelhof-Kreuzberg zitierte Urteil des AG Bad Schwartau (WuM 2001, 546) hat in seinen Entscheidungsgründen u. a. Folgendes ausgeführt: „Der Klägerin steht nämlich kein Schadensersatzanspruch zu. Dies folgt zum einen schon daraus, dass das Sterben in der angemieteten Wohnung und die Beeinträchtigung der Wohnung als Folge des Versterbens an sich keine Überschreitung des Gebrauchsrechts darstellen. Es ist zwar der Klägerin zuzustimmen, dass der Leichengeruch und die damit verbundene Beeinträchtigung der Mietwohnung über die üblicherweise mit der vertragsgemäßen Nutzung einer Wohnung zu reinen Wohnzwecken hinausgeht. Das Sterben in der Wohnung an sich stellt jedoch keinen vertragswidrigen Gebrauch dar (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., § 548 Rn. 9). Demnach stellt sich die Beeinträchtigung der Wohnung durch Leichengeruch allein als Folge einer vertragsgemäßen Nutzung dar.“
Nach längerer, strikt relationsmäßig vorgenommener Durchleuchtung der beiden amtsgerichtlichen Entscheidungen lässt sich unter Heranziehung aller einschlägigen Kommentare Folgendes bemerken:
§ 1 BGB: „Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.“ Rechtsfähigkeit: Träger von Rechten und Pflichten (Heraushebung vom Verfasser) zu sein (Palandt/Ellenberger, 80. Aufl., Überblick vor § 1 Rn. 1). Ende der Rechtsfähigkeit: Mit dem Tod (Palandt/Ellenberger, aaO., § 1 Rn. 3). Punkt. Ende. Aus.

Den Wortlaut finden Sie in GE 2021, Seite 712 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Hans-Jürgen Bieber


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