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Um wie viel mehr wert ist ein Haus mit der rechtlich ungesicherten Möglichkeit eines Dachausbaus?
Beim Verkauf eines denkmalgeschützten Mietshauses falsche Hoffnungen geweckt
19.01.2018 (GE 24/2017, S. 1512) Erweckt der Verkäufer eines Miethauses – entgegen eigenem gesicherten Wissen – gegenüber dem Käufer den Eindruck, ein Ausbau des Dachgeschosses sei mit behördlicher Genehmigung möglich, macht er sich schadensersatzpflichtig. Der Schaden liegt in der Differenz zwischen dem Verkehrswert eines nicht ausbaufähigen Dachgeschosses und dem Verkehrswert eines Dachgeschosses, bei dem zumindest die – wenn auch rechtlich ungesicherte – Chance auf eine Ausbaugenehmigung besteht. Der hinters Licht geführte Käufer einer solchen Immobilie, der am Kaufvertrag festhält und Ersatz für den Minderwert will, muss zum Minderwert keine übertrieben genauen Angaben machen. Die Angaben über den Minderwert dürfen nur nicht aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“, gemacht werden, meint der BGH zu einem Fall aus Berlin.
Der Fall: Der Beklagte war Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem denkmalgeschützten Miethaus bebaut ist. Die zweite Dachgeschossebene des Objekts ist nicht ausgebaut. 2009 teilte eine Mitarbeiterin der Denkmalschutzbehörde dem Beklagten mündlich mit, dass ein Dachgeschossausbau nicht genehmigungsfähig sei. Im Februar 2010 kaufte die Klägerin das Objekt vom Beklagten zum Preis von 2.475.000 €, Sachmängelhaftung war ausgeschlossen. Das vor Vertragsschluss überreichte Exposé beschrieb das Objekt u. a. so:
„Ein Dachgeschossausbau mit 300 m2 Wohnfläche ist möglich, jedoch muss hierzu die Genehmigung und Zustimmung der Denkmalschutzbehörde eingeholt werden.“
Dass die Denkmalschutzbehörde sich ihm gegenüber negativ zum Ausbau geäußert hatte, verschwieg der Beklagte der Klägerin, die wegen der fehlenden Ausbaufähigkeit der zweiten Dachgeschossebene meint, der Minderwert des Objekts belaufe sich auf 300.000 €. Die Klägerin verlangt einen Teilbetrag von 210.000 € als Schadensersatz, den ihr das Landgericht Berlin auch zugesprochen hat. Auf die Berufung des Beklagten hin hat das Kammergericht (KG) die Klage abgewiesen. Dem Grunde nach, so das KG, hafte der Beklagte zwar wegen eines vorvertraglichen Verschuldens, denn er habe die klar ablehnende Haltung der Denkmalschutzbehörde zum Dachausbau gekannt und die Klägerin vorsätzlich unrichtig informiert und nur darauf hingewiesen, dass der Ausbau genehmigt werden müsse. Die Klägerin habe aber einen Schaden nicht dargelegt und bei der Bewertung des Dachgeschosses mit 300.000 € nicht berücksichtigt, dass die Genehmigungsfähigkeit aufgrund der Beschreibung im Exposé offengeblieben sei. Revision ließ das KG nicht zu. Der BGH hielt die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin für begründet und verwies die Sache zurück.

Das Urteil: Noch zutreffend wende das KG die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Schadensberechnung wegen einer Pflichtverletzung bei Vertragsschluss an. Danach werde der Geschädigte, wenn er – wie hier – am Kaufvertrag festhalten wolle, so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Als Schaden sei der Betrag anzusehen, um den der Geschädigte den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat. „Offenkundig unrichtig“ sei aber die Auffassung des KG, dass die Klägerin einen solchen Schaden nicht hinreichend dargelegt habe.
Komme es auf den Verkehrswert einer Sache an, sei es grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige Partei – hier also die Klägerin – einen bestimmten Wert behaupte und Sachverständigenbeweis anbiete. Unbeachtlich sei eine solche Behauptung zum Verkehrswert nur, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“, aufgestellt worden und dann auch rechtsmissbräuchlich sei. Doch sei bei dieser Einstufung Zurückhaltung geboten.
Dass der von der Klägerin genannte Minderwert von 300.000 € eine unbeachtliche Behauptung aufs Geratewohl sei, nehme nicht einmal das KG an. Es halte stattdessen den Bezugspunkt der Schadensberechnung für falsch. Die Klägerin vergleiche den Verkehrswert des Objekts mit ausbaufähigem Dachgeschoss mit demjenigen ohne ausbaufähiges Dachgeschoss. Damit lasse sie außer Acht, dass offen geblieben sei, ob der Ausbau genehmigt werde oder nicht.
Dagegen der BGH: Das KG habe nicht richtig zur Kenntnis genommen, dass die Klägerin vorgetragen habe, das Objekt habe „mit der Möglichkeit – oder der ‚Chance‘, wobei die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit bei Vertragsschluss nicht bekannt war – des Dachgeschossausbaus in zweiter Ebene im Jahr 2010 einen Wert von ca. 2.475.000 €“ gehabt, während sich der Wert mit dem wertlosen, da nicht ausbaufähigen Dachgeschoss auf 2.167.500 € belaufen habe. Dieser rechtlichen Unsicherheit sollte nach Ansicht der Klägerin durch einen Abschlag von rund 30 % vom Wert eines genehmigten Ausbaus Rechnung getragen werden. Damit habe sie substantiiert dargelegt, dass der Verkehrswert der rechtlich noch ungesicherten Ausbaumöglichkeit 300.000 € betrage. Ob ihre Behauptung richtig und der Wert zutreffend veranschlagt sei, müsse durch Sachverständige geklärt werden.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 1547 und in unserer Datenbank


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