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Keine Anwendung der Mietpreisbremse nach umfassender Modernisierung bei Erstvermietung
Wesentlicher Bauaufwand bei mehr als 500 € Kosten je Quadratmeter
09.11.2017 (GE 20/2017, S. 1189) Erneuert der Vermieter die komplette Elektrik, verlegt er die vormals auf Putz verlegten Heizungsrohre unterhalb des Bodenbelags, fliest Küche und Bad, stattet die übrigen Räume mit Parkett aus, erneuert das Bad in Gänze, baut eine moderne Einbauküche ein und wendet er dafür je Quadratmeter mehr als 500 € auf, liegt eine „umfassende Modernisierung“ vor, die nach § 556f Satz 2 BGB eine Anwendung der Mietpreisbremse für die Erstvermietung nach Modernisierung ausschließt.
Der Fall: Die Kläger (Mieter) mieteten von der Beklagten (Vermieterin) mit Mietvertrag vom 18. März 2016 eine 85,65 m² große Wohnung. Als Nettomiete wurden 1.199 € vereinbart. Die Miete des Vormieters betrug 485 €. Vor der Vermietung an die Kläger hatte die Beklagte in der Wohnung umfangreiche Modernisierungsarbeiten durchgeführt. Mit Schreiben vom 28. Mai 2016 rügten die Kläger die vereinbarte Miethöhe als Verstoß gegen die Mietpreisbremse. Die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung betrage nach dem Berliner Mietspiegel 748,58 €, so dass die zulässige Miete 823,44 € (748,58 € zzgl. 10 %) betrage. Sie fordern die Rückzahlung überzahlter Mieten für die Monate Juni bis November 2016 (6 x [1.199 € - 823,44 €]) sowie die Feststellung, dass die Nettokaltmiete lediglich 823,44 € beträgt. Die Vermieterin hielt mit dem Argument dagegen, dass sie umfassende Modernisierungsarbeiten durchgeführt habe und deshalb die Erstvermietung nach der Modernisierung nicht unter die Tatbestände der Mietpreisbremse fiele. Das AG hat die Rückzahlungsklage der Mieter abgewiesen.

Das Urteil: Die Mieter hätten weder einen Rückzahlungsanspruch noch Anspruch auf die Feststellung, dass die Nettokaltmiete lediglich 823,44 € betrage. Die Mietpreisbremse sei hier nicht anwendbar, da die Vermietung an die Kläger die erste nach einer umfassenden Modernisierung der Wohnung gewesen sei und gemäß § 556f Satz 2 BGB die §§ 556d (zulässige Miethöhe bei Mietbeginn = Mietpreisbremse) und 556e (Berücksichtigung der Vormiete oder einer durchgeführten – einfachen – Modernisierung) nicht auf die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung anzuwenden seien.
„Umfassend“ in diesem Sinne sei eine Modernisierung ausweislich der Gesetzesbegründung, wenn sie einen solchen Umfang aufweise, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheine. Damit sei bei einer umfassenden Modernisierung zum einen auf den Investitionsaufwand und zum anderen auf das Ergebnis der Maßnahme, also die qualitativen Auswirkungen auf die Gesamtwohnung abzustellen.
Wesentlicher Bauaufwand sei bisher bei ähnlichen Fragestellungen angenommen worden, wenn er ca. 1/3 des für eine Neubauwohnung erforderlichen Aufwandes erreicht. Das Statistische Bundesamt weise durchschnittliche Baukosten im Jahr 2016 für Mietwohnungen in den neuen Bundesländern und Berlin von 1.486 €/m2 aus. Dies bedeute, dass Modernisierungskosten von ca. 500 €/m2 vorliegen müssen, um eine umfassende Modernisierung annehmen zu können.
Unstreitig sei, dass die Vermieterin vor Überlassung der Wohnung an die Kläger u. a. die Elektrik komplett erneuert, die vormals auf Putz verlegten Heizungsrohre unterhalb des Bodenbelags verlegt, Küche und Bad gefliest, die übrigen Räume mit Parkett ausgestattet, das Bad in Gänze erneuert und eine moderne Einbauküche eingebaut und dafür ohne Architekten- und Bauleitungskosten 58.463,58 € aufgewandt habe, was bereits einem Betrag von 682,59 €/m² entspreche. Selbst wenn man die darin enthaltenen Kosten für Instandsetzungsarbeiten abziehe, verblieben immer noch 44.463,58 €, was einem Aufwand von 519,13 €/ m² entspreche, womit der für eine umfassende Modernisierung erforderliche wesentliche Bauaufwand vorliege. Im Übrigen müssten bei einer instandsetzenden Modernisierung die auf die Erhaltungsarbeiten entfallenden Kostenanteile bei der Erfüllung der 1/3-Regel ohnehin nicht herausgerechnet werden.
Auch die qualitativen Auswirkungen auf die Gesamtwohnung, also der durch die Arbeiten geschaffene neue Zustand, entspreche im vorliegenden Fall in etwa dem einer Neubauwohnung. Die Beklagte habe, ziehe man zur Auslegung die Gesetzesbegründung heran, die Wohnung in mehreren wesentlichen Bereichen verbessert. Die Gesetzesbegründung nenne die Bereiche Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektro und energetische Eigenschaften. Die Hälfte dieser Bereiche sei modernisiert worden, und zwar das Bad, der Fußboden und die Elektroinstallation, wobei die neu geschaffene moderne Einbauküche noch zusätzlich berücksichtigt werden könne.

Anmerkung: Ist eine Wohnung „umfassend“ modernisiert worden, findet die Mietpreisbremse (nur) auf die erstmalige Vermietung nach umfassender Modernisierung keine Anwendung. Die Rechtsfolge ist also anders als bei einem Neubau, wo die Anwendung der Mietpreisbremse nicht nur für die erste, sondern auch für jede weitere Vermietung ausgeschlossen ist. Wird eine umfassend modernisierte Wohnung danach zum zweiten Mal vermietet, gelten wieder die allgemeinen Regelungen der Mietpreisbremse, allerdings genießt die Vormiete – also die erste nach umfassender Modernisierung abgeschlossene Mietvereinbarung – Bestandsschutz. Was unter „umfassender Modernisierung“ zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch hat man unter diesem unbestimmten Rechtsbegriff zu verstehen, dass Wohnungen den geltenden technischen Standards und den gestiegenen Ansprüchen der Mieter angepasst werden. Instandsetzungs- und Renovierungsarbeiten, die nur den ehemals bestehenden Zustand wiederherstellen, stellen keine umfassende Modernisierung dar.
Nach der Gesetzesbegründung nimmt der Begriff der umfassenden Modernisierung auf § 555 b BGB Bezug. Diese Bestimmung definiert, welche baulichen Veränderungen zu den Modernisierungsmaßnahmen zählen, die zu einer Mieterhöhung nach den §§ 559 ff. BGB um 11 % der aufgewendeten Kosten berechtigen.
Um das gesetzliche Privileg der Befreiung von der Mietpreisbremse durch Modernisierungsmaßnahmen nutzen zu können, muss die Modernisierung umfassend sein. Nach der Gesetzesbegründung ist die Modernisierung umfassend, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt ist. Die Gesetzesbegründung stellt weiterhin darauf ab, dass der Bauaufwand etwa ein Drittel der für eine vergleichbare Wohnung aufzubringenden Neubaukosten erreicht und die Wohnung „auch in mehreren wesentlichen Bereichen (insbesondere Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektroinstallation bzw. energetische Eigenschaften) verbessert wurde“.
Eine Gleichstellung im Sinne einer Identität mit dem Neubau ordnet das Gesetz nicht an, erforderlich ist aber, dass das Gebäude durch die Modernisierung in eine jüngere Baualtersklasse einzuordnen ist. Es muss nicht einem Neubau, aber einem „jüngeren“ Gebäude entsprechen.
Das Amtsgericht übernimmt hier den Hinweis aus der Gesetzesbegründung, dass die Kosten der umfassenden Modernisierung ein Drittel der vergleichbaren Neubaukosten betragen müssen. Ob diese Grenze so starr gezogen werden kann, sei einmal dahingestellt. Wichtig ist, dass bei Ermittlung der Kosten für den 1/3-Vergleich, anders als bei der Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 ff. BGB, wo fällige Instandsetzungskosten abgezogen werden müssen (§ 559 Abs. 2 BGB), hier die Kosten für erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen nicht herausgerechnet werden. Für die Prüfung, ob eine umfassende Modernisierung vorliegt, sind vielmehr sämtliche Kosten zu berücksichtigen.
Um den Begriff der „umfassenden Modernisierung“ zu konkretisieren, bietet es sich an, auch die Rechtsprechung zu § 255 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) heranzuziehen. In § 255 Abs. 2 HGB wird der Begriff der „wesentlichen Verbesserung“ verwendet. Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen Arbeiten an einem Wirtschaftsgut nicht mehr Instandsetzungsarbeiten, sondern nachträgliche Herstellung darstellen, so dass die Kosten nicht als Erhaltungsaufwand zu behandeln, sondern als nachträgliche Herstellungskosten zu aktivieren sind. Die Finanzgerichte haben hierzu entschieden, eine wesentliche Verbesserung liege dann vor, wenn die Baumaßnahmen über die reine Anpassung an den technischen Fortschritt und die gestiegenen Ansprüche der Nutzer hinausgehen. Im Hinblick auf Wohnungen haben die Finanzgerichte diese Grundsätze dahingehend konkretisiert, dass es darauf ankommt, ob die Wohnung so verbessert wird, dass sie danach in eine höhere Standardklasse einzuordnen ist. Da der Standard einer Wohnung vor allem durch ihre Ausstattungsmerkmale Heizung, Fenster, Sanitär- und Elektroinstallation geprägt werde, liege die wesentliche Verbesserung einer Wohnung vor, wenn von diesen vier Ausstattungsmerkmalen mindestens drei deutlich verbessert würden (BFH, Urteil vom 12. September 2001, BStBl. II 2001, S. 569; BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003, BStBl. I 2003, S. 386, Rz. 10). Nach den Anweisungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) gehört handelsrechtlich auch die energetische Ausstattung zu den insofern maßgeblichen Ausstattungsmerkmalen.
Nach der Rechtsprechung des BFH zu der – ausgelaufenen – degressiven AfA nach § 7 Abs. 5 EStG liegt eine umfassende Modernisierung, die die Gleichsetzung mit einem Neubau als sogenannter „bautechnischer Neubau“ rechtfertige, dann vor, wenn die Modernisierung so umfassend ist, dass die eingefügten Neubauteile dem Gesamtgebäude das Gepräge geben. Das ist insbesondere der Fall, wenn die tragenden Gebäudeteile in überwiegendem Umfang ersetzt wurden (BFH, Urteil vom 25. Mai 2004 - VIII R 6/01 -, BStBl. II 2004, S. 783 und Einkommensteuerrichtlinien R 7.4).
Das Amtsgericht legt in seiner Entscheidung die Messlatte zu Recht nicht ganz so hoch, weil es nicht um das Gesamtgebäude, sondern jeweils nur um die Modernisierung von einzelnen Wohnungen geht.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 1225 und in unserer Datenbank


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