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Siegel für "faire" Vermieter
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26.05.2017 (GE 10/2017, S. 554) Neuköllns Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Bündnis 90/Die Grünen) ist ein ganz Bibelfester. Der Tagesspiegel zitierte ihn kürzlich in einem Beitrag mit der Überschrift: „Grüne wollen Milieuschutz ausweiten” mit der Erkenntnis, dass viele Mieter in Neukölln nicht wüssten, „dass sie in vermieteten Eigentumswohnungen lebten, die andere Kündigungsfristen hätten als reguläre Mietwohnungen.” Gut, dass die Mieter von diesem Unsinn nichts wissen, denn das BGB kennt keine unterschiedlichen Kündigungsfristen für vermietete Eigentumswohnungen.
Was die in umgewandelten Wohnungen lebenden Mieter meist aber wirklich nicht wissen, ist, dass sie in Berlin gegen Kündigungen wegen Eigenbedarfs und/oder fehlender wirtschaftlicher Verwertung zehn Jahre länger geschützt sind als im normalen Miethaus. Wüssten sie es, würden sie gegen Biedermann & Co. auf die Straße gehen, wenn die mal wieder das nächste Dutzend Milieuschutzgebiete beschließen wollen. Die Berliner Grünen scheinen im Übrigen nicht nur einiges nicht zu wissen, sondern sie wissen auch nicht, was sie wollen. Während es der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, langsam dämmert, dass die Wohnungsprobleme der Stadt ohne die Privatwirtschaft unlösbar sind (da hat Kapek der amtierenden Wohnungssenatorin Katrin Lompscher eine wichtige Erkenntnis voraus), will die strammlinke Fraktionssprecherin für Wohnen und Mieten, Katrin Schmidberger, so schnell wie möglich zurück in die Zwangsbewirtschaftung. Wer das auf der Frühjahrstagung der Fraktion beschlossene mietenpolitische Positionspapier der Grünen („Gemeinwohl statt Mietenspekulation“) liest, merkt schnell, dass die grünen Wölfe nur ganz wenig Kreide gefressen haben. Erst gibt es ein kleines Zuckerstückchen: Man wolle einen Dialog mit Einzeleigentümern, Wohnungsunternehmen und Genossenschaften starten für ein breites Bündnis für bezahlbare Mieten. Wer brav ist, solle einen Orden erhalten, den die Grünen Siegel für faire Vermieter nennen. Und das, nachdem sie unisono seit Jahren auf jeden Vermieter – ganz vorne die privaten – eingeprügelt haben. Die Berliner Grünen versprechen: „Vermieter oder Wohnungsunternehmen bekommen das Siegel, wenn sie die Qualität, den Schutz und faires Verhalten gegenüber den Mieter*innen garantieren.“ Aha. Konkrete Kriterien für ein solches Siegel gebe es bisher nicht, sie sollen „in einem Dialogverfahren mit Eigentümer- und Mieterverbänden“ gemeinsam erarbeitet werden. Wer das Papier zu Ende studiert, kann sich die Kriterien vorstellen, die man erfüllen muss, um Siegelträger zu werden: Keine Einwände gegen mindestens weitere zehn Milieuschutzgebiete und gegen Mietobergrenzen für Bestandsmieten. Aktive Unterstützung eines Umwandlungsverbots für ganz Berlin und auch keine Umwandlungserlaubnis bei Verkauf nur an Mieter. Steuergelder für Mieterberatung, staatlich bezahlte Pauschalmitgliedschaft von Transferleistungsempfängern in den Mietervereinen. Abschaffung aller Ausnahmen bei der Mietpreisbremse, Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete aus den Abschlüssen und Erhöhungen der letzten zehn Jahre, Einführung einer Drei-Prozent-Obergrenze für Mieterhöhungen, maximal um 15 % innerhalb von fünf Jahren. § 5 Wirtschaftsstrafgesetz soll wieder zum scharfen Schwert gegen die Mietwucherer gemacht werden, faire Vermieter müssen sich mit 6 % Modernisierungszuschlag zufrieden geben und dürfen auch nicht greinen, weil es tatsächlich nur 3 % sind, weil unter Grün kein Mensch mehr als 30 % seines Einkommens für die Miete bezahlen muss und deshalb der Modernisierungszuschlag nur in 50 % der Fälle tatsächlich gefordert werden kann. Ach ja, faire Vermieter müssen auch für die Verschärfung des Zweckentfremdungsrechts und die Einführung eines sozialen Gewerbemietrechts sein. Nach Vorstellungen der Grünen beinhaltet Letzteres eine Gewerbemietpreisbremse und Gewerbemietobergrenzen. Ich kann allen, die sich um ein solches Siegel bewerben wollen, nur raten, sich schnellstens um Sozialmaurer, Sozialklempner, Sozialmaler, Sozialdachdecker und Sozialbanken zu bemühen, damit den grünen Träumen vom bezahlbaren Wohnen Rechnung getragen werden kann. Aber vielleicht kommt es ganz anders. Ich stell mir vor, das Siegel kommt, und keiner will es haben …


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