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Welche Beschlüsse angefochten werden, muss klar erkennbar sein
Vor Ablauf der Anfechtungsfrist
07.06.2017 (GE 09/2017, S. 519) In der WEG-Anfechtungsklage darf der Umfang der beabsichtigten Beschlussanfechtung von Eigentümerbeschlüssen nicht offen gelassen werden, insbesondere wenn diese teilweise zu hohen Streitwerten und damit Kostenbelastungen führen können.
Der Fall: Der Kläger hat beim Amtsgericht eine Klage erhoben, die sich „gegen Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 20.11.2014“ richtete. Dabei kündigte er an, er werde mit der Klagebegründung mitteilen, auf welche Beschlüsse sich die Klage beschränkt. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist erklärte er, dass die Beschlüsse zu Nr. 1 bis 4 Gegenstand der Anfechtungsklage sein sollen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde an den Bundesgerichtshof.

Der Beschluss: Ohne Erfolg! Bei einer Beschlussanfechtungsklage darf die Auslegung nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erfassen. Dabei ist zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Prozesslage entspricht. Gibt ein Wohnungseigentümer in einer Beschlussanfechtungsklage zu erkennen, dass er die Klage auf einen noch unbestimmten Teil der in einer Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse beschränken will, versteht es sich aber nicht von selbst, dass nur eine Auslegung der Klage in Betracht kommt, bei der noch eine Begrenzung vorbehalten bleibt. Denkbar ist nämlich, dass dies wegen der möglicherweise hohen Streitwerte nicht dem Willen des Klägers entspricht. Das gilt insbesondere, wenn der Kläger sich die Anfechtung auf Beschlüsse vorbehalten will, die zu einem hohen Streitwert (hier über 175.000 €) führen. 
Welche Beschlüsse angefochten werden, muss vielmehr bei Ablauf der Anfechtungsfrist erkennbar sein. Zu diesem Zeitpunkt war aber hier nicht zweifelsfrei, ob auch eine Auslegung der Klageschrift, die zu einer hohen Kostenschuld geführt hätte, dem Willen des Klägers entsprochen hätte.

Anmerkung: Bei Anfechtungsklagen besteht eine einmonatige Anfechtungsfrist und darauf folgend eine zweimonatige Begründungsfrist (jeweils ab Datum der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse). Der Kläger darf die Begründungsfrist nicht dazu benutzen, den Umfang der Beschlussanfechtung erst während dieser Zeit festzulegen. Gerade bei der Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen mit einem hohen Streitwert (insbesondere bei Sanierungsbeschlüssen!) kann eine derartige Überlegungsfrist nicht beansprucht werden. Im Zweifel ist dann eine Anfechtung aller in Betracht kommenden Beschlüsse der betreffenden Eigentümerversammlung anzunehmen. 
Demgemäß hat der BGH den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf über 170.000 € gesetzt, was für den Anfechtungskläger kostenmäßig recht schmerzhaft gewesen sein muss, zumal es dann für alle Instanzen gelten wird.

Den Wortlaut des Urteils finden Sie in GE 2017, Seite 548 und in unserer Datenbank
Autor: VRiKG a. D. RA Dr. Lothar Briesemeister, AKD Dittert, Südhoff & Partner


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