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Kein Pass in Berlin – Umzug nach Brandenburg ermöglicht Ausreiseantrag
Namen & Nachrichten
08.11.2017 (GE 20/2017, S. 1178) Manchmal sind kleine Geschichten erhellender als tiefgründige wissenschaftliche Analysen. Ein Berliner Notar – entgegen den üblichen Gewohnheiten in dieser Spalte belassen wir ihn in seiner Anonymität – musste aus beruflichen Gründen ins nichteuropäische Ausland und benötigte dazu einen neuen bzw. die Verlängerung seines bisherigen Reisepasses.
Die Reise war keineswegs kurzfristig geplant, doch gab es zwischen dem Reisetermin und der Entdeckung, dass der Reisepass abgelaufen war, keinen Termin beim dafür zuständigen Berliner Amt. Was nun tun? Der Notar besaß zu seinem Glück einen guten Freund, der im Berliner Speckgürtel wohnte. Dorthin verlagerte besagter Notar kurzfristig seinen Wohnsitz. Die Ummeldung nebst Ausstellung eines Reisepasses ging so fix, dass besagter Notar seinem Reisetermin ohne Herzkasper entgegenblicken konnte. Für seine Einkommensteuererklärung ist jetzt das Finanzamt Strausberg zuständig. Der brandenburgische Finanzminister wird sich darüber gewiss genauso freuen wie der Gemeindevorsteher am neuen Wohnsitz des Notars. Das ist Berlin im Jahre 2017. Die einzige Hauptstadt in Europa, die es geschafft hat, sich von der Regel abzukoppeln, dass die Hauptstädte als Wirtschaftsmotor des Landes wirken. Würde man Berlin aus dem deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) herausrechnen, wäre das je Einwohner um 0,2 % höher, so kürzlich das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Überall sonst in Europa sieht es anders aus. Ohne Athen wäre das BIP pro Kopf in Griechenland um 20 % niedriger, ohne Bratislava in der Slowakei um 18,9 %, ohne Paris in Frankreich um 14,8 %, ohne London in Großbritannien um 11 %. Ähnliche Werte gibt es für Tschechien, Dänemark, Finnland, Portugal und Schweden. Berlins Schüler tragen, wie die Stadtregierung auch, rote Laternen. Die einen kriegen beim Lesen, Schreiben und Rechnen nichts auf die Reihe (und damit nicht publik wird, dass die eine oder andere Schule doch dem Bildungsauftrag genügt, werden ab diesem Jahr die Ergebnisse der erhobenen Vergleichsdaten zwischen den einzelnen staatlichen Schulen nicht mehr veröffentlicht), die anderen kriegen beim Regieren nichts auf die Reihe. Man braucht nur einmal vom Ernst-Reuter-Platz aus die Bismarckstraße hinunterzufahren, dann weiß man alles über die Berliner Verwaltung, was man wissen muss: Aus einem Prachtboulevard eine Querfeldeinstrecke zu machen, schafft nicht jeder. Kürzlich traf ich einen früheren Regierenden Bürgermeister dieser Stadt zu einem längeren Gespräch. Auf meine Frage, welche Möglichkeiten er als intimer Kenner der Verwaltung sähe, dafür zu sorgen, dass man bei Bürgerämtern wieder schneller Termine bekommt, dass man nicht mehr von einem Schlagloch ins andere fällt, dass die dringend benötigten Wohnungen gebaut werden, gab es eine ganz kurze Antwort: „Bombe“. Vielleicht ist eine Verwaltung, bei der der gewählte oberste Repräsentant der Stadt sieben Jahre brauchte, um Zeiterfassungsgeräte durchzusetzen und dann noch einmal mehr als ein Jahr, damit beim Gang in die Mittagspause aus- und bei der Rückkehr wieder eingestempelt wird, tatsächlich nicht mehr reformierbar. Nur „Bombe“ hilft auch nicht. Zupackende Trümmerfrauen sind weit und breit nicht zu sehen, nur eitle, larmoyante Staatssekretärinnen, die schon ein linkisches, missglücktes Kompliment eines ein wenig aus der Zeit gefallenen Herrn völlig aus der Bahn wirft.


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