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Einstweilige Verfügung gegen Vermieter nach Schlossaustausch
Mieter ausgesperrt – weitervermietet
07.05.2021 (GE 7/2021, S. 409) Wenn nach Kündigung des Mietverhältnisses eine sofortige Weitervermietung und Überlassung an einen Dritten erfolgt, fragt es sich, welche Rechte dem betroffenen Vormieter zustehen und wen er ggf. in Anspruch nehmen kann, um wieder in den Besitz der Wohnung zu gelangen. Das Landgericht Mannheim entschied in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, dass die Regelung des § 861 BGB (Anspruch wegen Besitzentziehung bei verbotener Eigenmacht) denjenigen, der verbotene Eigenmacht geübt hat, aber nun nicht mehr im Besitz der Sache ist, nicht zur Verschaffung des Besitzes verpflichtet.
Der Fall: Nachdem der beklagte Vermieter im Oktober 2019 Modernisierungsarbeiten in der Wohnung des Klägers angekündigt hatte, einigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger für die Dauer der Arbeiten in eine vom Beklagten bereitgestellte Ersatzwohnung umziehen sollte.
Am 27. Januar 2020, dem Tag des Umzugs in die Ersatzwohnung, übergab der Kläger dem Beklagten einen Satz Schlüssel für Wohnung und Keller; dieser kündigte das Mietverhältnis am 29. Januar 2020 fristlos, hilfsweise fristgerecht, tauschte die Schlösser an Haustür und Wohnungstür aus und vermietete die Zimmer der Wohnung an Dritte.
Der Kläger, der in einem vor dem Amtsgericht Mannheim anhängigen Rechtsstreit mit dem Beklagten um die Wirksamkeit der Kündigungen streitet, verlangt vom Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung, Übergabe der Schlüssel und Zurückschaffung der ausgelagerten Möbel in die Wohnung. Das AG gab der Klage hinsichtlich des Herausgabeanspruchs einschließlich der Schlüsselübergabe statt.

Das Urteil: Das LG wies die Berufung zurück. Der Verfügungsbeklagte habe dem Verfügungskläger im Wege der verbotenen Eigenmacht den Besitz entzogen, indem er die Schlösser der Türen ausgetauscht und so den Verlust der tatsächlichen Gewalt seitens des Verfügungsklägers herbeigeführt habe. Der Kläger habe wegen der verbotenen Eigenmacht einen im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzbaren Anspruch auf Verschaffung des mittelbaren Besitzes, wobei das verfolgte Ziel auf Herausgabe im Wege der Zwangsvollstreckung dadurch erreicht werden könne, dass der Anspruch des Beklagten auf Herausgabe gepfändet und an den Kläger überwiesen werde. Infolge Kündigung, Aufhebung oder sonstiger Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Nachmieter könne dann ohne Zwischenübertragung an den Beklagten die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an den Kläger erreicht werden.

Anmerkung: Das Kammergericht hatte in einem gleichgelagerten Fall (Urteil vom 19. November 1998 - 8 U 6420/98 -, juris) ausgeführt, dass die Durchsetzung des Besitzschutzanspruchs nach § 861 BGB durch einstweilige Verfügung der sofortigen Wiederherstellung des unmittelbaren Besitzes diene und eine einstweilige Verfügung gegen den Vermieter als mittelbaren Besitzer dann nicht in Betracht komme, wenn dieser den durch verbotene Eigenmacht erlangten unmittelbaren Besitz einem Dritten überlassen habe, dieser den Besitz berechtigt ausübe und nicht zur Herausgabe bereit sei.
Dem ist nur noch folgende Überlegung hinzuzufügen: Wenn Herausgabe des mittelbaren Besitzes aus § 861 BGB verlangt werden könnte, und dies im Wege der Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 870 BGB erfolgte, würde dem Vermieter eine Rechtsposition entzogen werden, die er schon vor der verbotenen Eigenmacht hatte, nämlich den mittelbaren Besitz. Gleichzeitig würde der Vormieter etwas erhalten, was er vorher nicht besaß, nämlich eben diesen mittelbaren Besitz. Bereits aus diesem Grund scheidet deshalb ein Anspruch auf Einräumung des mittelbaren Besitzes aus (vgl. hierzu eingehend Lehmann-Richter, NZM 2009, 177 ff., 180).

Den Wortlaut finden Sie in GE 2020, Seite 440 und in unserer Datenbank.
Autor: VRiKG a. D. Hans-Jürgen Bieber


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